Am 24.11. fand im Novomatic Forum das LSZ Event Digital Enterprise statt, das ich moderieren durfte. Neben der erstmaligen Präsentation der DIGITALFEX – Digitalen Reifegradstudie, einer sehr spannenden Podiumsdiskussion und interessanten Fachvorträgen hatte ich das große Vergnügen Hr. Christian Rupp zu interviewen.
Über Origami am OP Tisch, Pasta aus dem 3D Drucker und kaffeekochende Wecker … Hr. Christian Rupp zu „Österreichs Weg in die digitale Zukunft“.
Das Interview hier zum Nachlesen:
Herr Rupp, Sie sind Sonderbeauftragter Digitalisierung der Wirtschaftskammer und Sprecher der Plattform Digitales Österreich der Bundesregierung und damit der ranghöchste Digitalisierer in Österreich. Wie steht es um die Digitalisierung in Österreich?
Ich glaube es waren sehr wichtige erste Schritte, die wir mit der Plattform Digitales Österreich im eGovernment Bereich gegangen sind. In den mittlerweile zehn Jahren, seit denen sie existiert, haben wir viel Vorarbeit in Österreich geleistet und vielen Themen eine Bühne gegeben. Und mittlerweile ist das Thema der Digitalisierung in der Bundesregierung angekommen. Wenn ich mir die letzten Ministerratsvorträge anhöre bis hin zu den letzten öffentlichen Auftritten vom Bundeskanzler, den beiden Staatssekretären und dem Vizekanzler, nimmt Digitalisierung einen wichtigen Stellenwert ein. Das heißt, wir sind auf dem richtigen Weg, aber, wie wir heute in der Früh schon gehört haben, es muss schneller gehen.
Österreich, das darf man ja auch ruhig loben, war und ist Vorreiter im Bereich digitale Verwaltung/eGovernment. Ist der Höhepunkt schon erreicht oder was können wir in naher Zukunft im Bereich Verwaltung noch erwarten?
Nein, der Plafond ist überhaupt noch nicht erreicht. Der nächste Schritt ist, dass wir auf den Kunden noch mehr zugehen und ihn in die Entwicklung mit einbeziehen. Als Beispiel: Plattformen wie Schau auf Linz, oder das in den westlichen Regionen bekannte „Bürgermeldungen.com“ wird es demnächst auch für Wien geben unter http://sags.wien/. Also dass der Bürger, wenn er z.B. irgendwo auf der Straße einen Schaden sieht, diesen einfach und unbürokratisch fotografieren und der Stadtverwaltung melden kann. Auf der Landkarte sieht man man dann, da ist was passiert und hat auch den Rückkanal zum Bürger, wann es repariert worden ist. Das heißt, die Zusammenarbeit, die Transparenz aber auch der Druck in der Verwaltung steigen, die Dinge, die gemeldet werden schnell abzuarbeiten.
Open Data ist auch so ein Thema: Wer auch immer etwas mit offen verfügbaren Daten machen will, dem empfehle ich ganz einfach einmal die Open Data Plattform zu besuchen. Da sind über 1500 Datenquellen der Verwaltung online und aus diesen sind bis dato über 300 mobile Applikationen entstanden. Das heißt, von einer Handy-App für mobiles Parken, bis hin zu „wann kommt die nächste Straßenbahn“ gibt es eine Fülle an Applikationen, die öffentliche Daten verwenden.
a little less conversation, a little more action
Das heißt, die Verwaltung geht weiter in riesen Schritten auf den Kunden zu und erleichtert ihm die Erledigung von Verwaltungsaufgaben. Sie haben es vorher angesprochen, Bundeskanzler Kern nimmt das Wort Digitalisierung auch in den Mund. Er hat vor Kurzem die Elvis-Zeile zitiert: „a little less conversation, a little more action“, wenn auch in einem anderen Kontext. Aus Ihrer Sicht: wird momentan zuviel über die Digitalisierung gesprochen und zu wenig gemacht im Kontext der Unternehmen in Österreich?
Nein, ich glaube es ist gut so, das viel darüber geredet wird. Es muss vielleicht sogar noch viel mehr darüber geredet werden. Vielleicht auch in einer anderen Sprache? Bei vielen kleinen Betrieben in Österreich ist das Thema unter anderen wegen der vielen englischsprachen Begriffe noch lange nicht angekommen. Viele verstehen nicht, um was es hier wirklich geht.
Und hier geht auch viel Potential verloren … hätte man z.B. bereits vor 15 Jahren Architekten stärker in die Gespräche zur Digitalisierung eingebunden, dann hätte man damals schon in Tiefgaragen Anschlüsse für e-Autos vorsehen können. Wir müssen versuchen, ganz neue Zielgruppen in die Gespräche zur Digitalisierung mit einzubeziehen, damit sie die richtigen Fragen stellen: Was brauchen wir morgen, was aber heute schon gebaut wird … z.B. ganz einfache Leerverrohrungen. Das hätte man schon vor vielen vielen Jahren schon zu minimalen Zusatzkosten vorsehen können aber erst jetzt wird es eine teuer umzusetzende Realität.
Sie haben gerade kleinere Betriebe angesprochen Was sollten kleine Unternehmen jetzt tun, was sollten sie angehen, was sind die nächsten Schritte mit Fokus Digitalisierung?
Die Herausforderung ist es, die Dinge mit anderen Augen zu sehen, bestehende Denkmuster aufzubrechen. Und das ist etwas, das im klassischen Sinne mit Open Innovation oder Design Thinking Methoden möglich gemacht wird.
Ein Beispiel: Ich hab vor ein paar Wochen Besuch von einer japanischen Delegation gehabt. Dem Präsidenten der Internet society in Japan, die mittlerweile einmal im Jahr mit einer Wirtschaftsdelegation nach Österreich kommen. Jetzt kann man sich fragen: Was machen die Japaner in Österreich? Sie produzieren zwar Hardware, aber im Bereich Design Thinking haben sie z.B. noch keine Erfahrung. Das heißt, sie lernen von Österreichischen Firmen, wie das funktioniert. Wie kann ich verschiedene Kompetenzen miteinander verbinden … z.B. Medizin- oder Textilknowhow mit Informationstechnologie
Oder z.B. das future lab des Ars-Elektronika-Center, die mittlerweile zu 70% für Japanische Unternehmen tätig sind. So haben Sie z.B. einen Origami-Experten (Anm: japanische Papierfalttechnik) mit einem Herzschrittmacher-Produzenten zusammengebracht. Jetzt kann man sagen, was hat das miteinander zu tun? Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist, dass es jetzt den kleinsten, faltbaren Herzschrittmacher gibt, der über Atroskopie eingesetzt wird. Er wird gefaltet wieder eingesetzt und, sobald er platziert ist, entfaltet er sich, umschließt den Herzmuskel und der Herzschrittmacher fängt zu arbeiten an. Das wäre ohne interdisziplinäre Kreativ-Prozesse und koordiniertes Querdenken überhaupt nie zustande gekommen.
Genau um solche Prozesse geht es auch bei unserer Vielzahl an KMUs. Wenn man sich die österreichische Landschaft anschaut, sind wir geprägt von KMUs und EPUs. Man muss sich das immer wieder vor Augen halten: die Hälfte aller Unternehmen in Österreich sind EPUs. Und von der verbleibenden Hälfte sind wiederum die Hälfte unter 5 Mitarbeitern.
Gerade heute gab es eine Meldung in der Presse einer Studie aus Deutschland: 1,5 Mio. Arbeitsplätze gehen verloren durch die Digitalisierung, aber 1,5 Mio. neue Arbeitsplätze kommen dazu. Unterm Strich bleibt es also gleich. Aber die Frage ist, wo gehen die 1,5 verloren? Und was mach ich mit den MitarbeiterInnen, die ich heute darauf vorbereiten muss, dass die Welt morgen anders ausschaut. Es geht um Weiterbildungs-/Umschulungsmaßnahmen, die man sich jetzt überlegen muss, damit man in 10, 15 Jahren, wenn der Wandel sich vollzogen hat, vorbereitet ist.
Ein ganz spannender Aspekt sind die sozialen Auswirkungen der Digitalisierung, die man vielleicht ab und zu vergisst. Joe Kaeser, der CEO von Siemens hat auf einer Veranstaltung gesagt, dass wir über ein bedingungsloses Grundeinkommen oder ähnliche Modelle nachdenken werden müssen, um zumindest eine Übergangszeit abzufedern. Ist das die richtige Diskussion zur falschen Zeit, weil man damit Investitionsgedanken abwürgt oder wie stehen Sie zu dem Thema?
Es gibt reihenweise historische Beispiele, an denen sich das nachvollziehen lässt, z.B. als im 19. Jhdt. die Elektrizität aufgekommen ist, haben sich alle gefürchtet davor und gesagt: das kommt nicht, das will ich nicht, wie kann man es besteuern? Jetzt ist es Realität und absolut Commodity. Ich glaube, es ist jetzt zu früh die Digitalisierung zu reglementieren. Denn auch das zeigt immer wieder die Geschichte: wenn ich etwas zu früh standardisiere, kann Innovation ja gar nicht entstehen. Irgendwann werde ich es standardisieren und regulieren müssen, dann werden wir vielleicht auch solche Überlegungen anstellen. Aber jetzt, bevor das Thema überhaupt angefangen hat, zu wirken ist es einfach zu früh.
Und wenn, dann kann das sicherlich auch nur in einem europäischen Kreis beschlossen werden, weil wir uns ja von jeglichem Wettbewerb abkoppeln würden, wenn das nur in Österreich stattfände. Wir sind in eine europäische Landschaft eingebunden. Wenn Brüssel jetzt die Datenschutzgrundverordnung einführt, gilt sie automatisch in jedem Mitgliedstaat. Und genauso wird es mit der elektronischen Rechnung, elektronischen Ausschreibungsverfahren und Ähnlichem.
Hier muss ich als Unternehmer immer auch ein Auge auf Brüssel haben: was passiert dort, denn das hat unmittelbare Auswirkungen auf mein Geschäft. Von der Richtlinie zu Cyber-Security, über Barrierefreiheit für Webseiten bis hin zu Sicherheit von Webshops … es werden aus Brüssel vermehrt Vorgaben gemacht werden und man wird sich in Österreich um die Umsetzung kümmern müssen.
Sie verfolgen die Digitalisierung in Ihrer Rolle schon sehr sehr lange: Können Sie eine Hypothese wagen, über was werden wir in fünf Jahren diskutieren, was sind die nächsten disruptiven Veränderungen, die wir hier in Österreich erleben werden?
Also ich glaube, wenn ich damals auf dieser Konferenz gesagt hätte, dass in fünf Jahren der erste elektrische Bus in Salzburg fährt, hätte mich jeder für verrückt erklärt – das ist heute Realität. Auch, wenn ich ihnen gesagt hätte, dass Bombardier, einer der größten Produzenten von Bussen und Straßenbahnen, mit österreichischer Technologie die ersten selbstfahrenden Straßenbahnen jetzt Realität hat werden lassen. Ich finde es natürlich gut, dass Österreichische Technologie dahinter steht. Auch der selbstfahrende Traktor ist in Österreich Realität. Das ganze Thema Smart farming wird interessant werden, weil jeder fünfte Betrieb im landwirtschaftlichen Bereich bereits digitale Technologie einsetzt. Ein moderner Traktor hat bis zu 100 Sensoren installiert, die digital auswerten, was alles im und rund um den Traktor passiert, also Big Data.
Oder nehmen Sie Hagleitner, ein Seifenspenderhersteller aus Österreich der mittlerweile in jedem Seifenspender einen Chip verbaut, der funkt wann und wie oft dieser benutzt worden ist. Damit ist Hagleitner in der Lage, einen perfekten Hygiene Rundumservice bedarfsorientiert und kosteneffizient anzubieten.
Das ganze Thema Big Data in Kombination mit dem Internet der Dinge wird immer spannender werden. Was in den letzten zehn Jahren passiert ist, wird nichts im Vergleich zu dem sein, was sich in den nächsten fünf Jahren entwickelt. Es geht viel in Richtung Schnelligkeit und Individualität, dass jeder von uns bestimmen kann, wie sein Produkt ausschaut.
Oder augmented reality die mit virtual reality zusammenfließen wird. Ich kann heute schon mit augmented reality Brillen das Möbelangebot IKEAS in meine Wohnung projezieren. Das heißt ich sehe mit meiner Kamera, wie meine Wohnung ausschaut und kann sehen, wie das Möbelstück in meiner Wohnung wirken würde. Immer mehr moderne Technologien werden miteinander verschmelzen und die Ergebnisse werden uns alle begeistern.
Sprich, die technologischen Möglichkeiten werden eine praktische Anwendung finden und für uns Selbstverständlichkeit werden.
Ja, auch klassischer 3D-Druck. Einer der größten Hörgerätehersteller in Österreich produziert nur mehr am 3D-Drucker. Der Bereich Medizintechnologie wird generell spannend werden … in jedem Spital, in jedem Operationsraum wird zukünftig ein 3D-Drucker stehen, ein erster Drucker für die Schädelknochenprodukton steht bereits im AKH. Das heißt, innerhalb von zwei Stunden wird dort während der Operation der Schädelknochen reproduziert und eingesetzt. Das hätte man vor wenigen Jahren noch nicht geglaubt.
Heute kann man sagen, dass 3D-Druck eigentlich schon veraltet ist, denn an den Unis spricht man von 4D-Druck. Es entstehen so Teile, die sich an äußerliche Gegebenheiten anpassen können. Es werden z.B. Schrauben für Brücken produziert, die eingesetzt sich je nach Temperatur und Druck verändern und anpassen um Schwankung und Spannungen auszugleichen.
Es ist auch klar, dass sich die Lehrberufe anpassen müssen. Wenn ich heute einen Beruf erlerne und z.B. an einer CNC-Fräse lerne, wird das morgen der 3D-Drucker mit Computer sein. Lehrberufe werden nach wie vor extrem wichtig bleiben. Wir brauchen in Zukunft auch Digitale Meister. Die Wirtschaftskammer konnte es durchsetzten, dass ab nächsten Jahr im Handel der Lehrlingsberuf eine Schiene für e-Commerce anbietet. Bis das fixiert war, hat es aber viel zu lange gedauert, da müssen die handelnden Partner einfach viel schneller werden.
Wir werden den Lehrling wie gesagt immer noch brauchen. Und der Lehrling wird Technologie brauchen, denn ohne Technologie kann ein KFZ-Lehrling kein Auto mehr reparieren. Das Auto wird sich vermutlich selbst diagnostizieren, z.B.: Ölstand zu niedrig, wird die nächste Werkstatt ermitteln und automatisch den Termin ausmachen. Aber dort wird immer noch jemand sein, der den Computer anschließt und feststellen muss, wie er das Auto reparieren muss. Und das muss der Lehrling lernen, die Mechanik ebenso wie die IT.
Oder wenn ich entlegenere Regionen hernehme, das Waldviertel z.B.: auch dort wird eine Bezirksstelle der Wirtschaftskammer notwendig sein, um vor Ort zu unterstützen, aber dort wird vielleicht auch ein 3D-Druckzentrum stehen. Wenn ein Teil benötigt wird, lasse ich es dort drucken und nehme es mir wieder mit. Da gibt es verschiedenste Sharing- oder Coworking-Angebote, so wie das CoCoQuadrat, in der Wiedner Hauptstraße, in denen ich kurzfristig Besprechungsräume für eine Stunde buchen kann. Das kostet mich um die 3 Euro pro Stunde. Da entstehen ganz neue Geschäftsmodelle.
Sehr, sehr spannende Insights!
Zum Abschluss vielleicht noch eine private Frage. Sie sind quasi beruflich bedingt, voll durchdigitalisiert. Gibt es irgendwas privat, bei dem sie sagen, naja, entgegen den Trends, davon lass ich momentan die Finger?
Also ja, ich weiß, Barilla hat den ersten 3D-Drucker für Pasta gemacht und es wird auch Fleisch gedruckt, aber … ich bin noch vorsichtig, ob Lebensmittel wirklich geschmacklich so gelingen, wie ich es möchte. Ansonsten sollte man einfach offen sein und ausprobieren. Da spielt natürlich auch die bewusste Mentalität des Scheiterns eine Rolle, von der wir heute schon gehört haben. Es ist für große Unternehmen oft besser neue Dinge außerhalb der eigenen Grenzen zu testen, weil die eigenen Hierarchien viel zu starr sind um solche Experimente erfolgreich werden zu lassen. Und die Ungewissheit ist wiederum auch das Risiko für die kleinen Unternehmen: kann man es sich leisten, das zu investieren? Wo ist der richtige Berater dafür? In dem Bereich gibt es gerade Verhandlungen zwischen Wirtschaftskammer und Wirtschaftsministerium, um im nächstem Jahr eine Beratungsförderung zum Thema Digitalisierung zu ermöglichen. Beratungen im Bereich Digitalisierung und Digitale Transformation sollen gefördert werden bis zu 50%.
Das freut mich persönlich sehr zu hören! Vielen Dank für das Interview.